Akustik wird als Lehre vom Schall und seiner Ausbreitung definiert.
Die Definition sagt nichts zur Bedeutung der menschlichen Wahrnehmung von akustischen Gegebenheiten und Vorgängen.
Menschliche Wahrnehmung ist ein existentiell notwendiges Bedürfnis. Wie jedes Lebewesen, kommuniziert der Mensch über die Sinne mit der Umwelt. Bereits ein Einzeller muss sich zum Überleben gegen die „Unordnung“ der Umwelt mit seiner Zellmembran „abschotten“. Er kann dadurch die Umgebung ordnen, muss aber gleichzeitig als „offenes System“ auf den Austausch von Wärme, Sauerstoff, Nahrung, Abfall und auch für Informationen mit seiner Umgebung interagieren. Er muss zur Sicherung seiner Weiterexistenz die Umwelt wahrnehmen und sich mitteilen, also kommunizieren. Zur Wahrnehmung von Signalen, Informationen, dienen die Sinne.
Mensch und Umwelt sind zentrale Aspekte unserer Arbeit. Akustik, früher als schwarze Magie bezeichnet, ist heute ein sehr spezialisiertes Marktsegment mit Hochleistungs-Produkten und komplexen Leistungen in verschiedensten Lebens- und Umweltbereichen. Allein die Funktion eines Hauses zeigt diese Komplexität.
Die Sinne sind die Grundlage der Wahrnehmung, mit ihnen erlebt jedes Individuum die verschiedenen Objekte seiner Umwelt auf seine eigene Art. Objekte oder Ereignisse regen oft mehrere Sinne gleichzeitig an. Eine mutisensorische Verarbeitung ermöglicht die einheitliche Wahrnehmung aus verschiedenen Kommunikationskanälen. Kein Sinn ist mit anderen so intensiv verbunden wie das Sehen und das Hören. Obschon das Visuelle in der heutigen Welt dominierend ist, ist die Auflösung des Gehörs um ein Vilefaches grösser und feiner.
In den letzten Jahren hat sich eine „Sehgesellschaft“ entwickelt.
Spätestens seit der Pandemie wird nur gehört, was man will. Ein gutes Beispiel ist der Gebrauch von Mobiles im ÖV. Es wird mit Lautsprecher telefoniert und wegen des Lombard-Effekts in übertriebener Lautstärke gesprochen. Während früher mit Belustigung, Mitleid, manchmal sogar Reklamationen reagiert wurde, wird inzwwischen nicht mehr hingehört. Oft wird jede Art von Lärm sogar durch aktive Kopfhörer ausgeblendet. Durch den zunehmenden und ständigen Gegensatz zwischen visueller und auditiver Wahrnehmung entsteht mit der Zeit Dissonanz, mit teils negativen gesellschaftlichen Folgen und mit beschränkter Wahnehmung.
Zur besseren Orientierung im Raum nehmen Menschen visuelle und auditive Reize simultan wahr. Die meisten Säugetiere, inklusiv Menschen, verfügen im Gehirn über besonders verknüpfte auditiv/ visuelle Orientierungsprozesse zur räumlichen Wahrnehmung. Diese Prozesse werden zur Lokalisierung von Objekten permanent aktualisiert. Hintergrund ist die konstante, seinerzeit überlebenswichtige Wahrnehmung von Feinden oder von Nahrung in der Umgebung. Beim geringsten Geräusch, fokussieren die Augen automatisch den mit dem Gehör lokalisierten Ort. Weil das Gehör immer mit 360º mal 360⁰ arbeitet, wird der Kopf instinktiv gedreht und die Tonquelle visuell identifiziert.
Trotz „Sehgesellschaft“ steuern die Ohren immer die Augen.
Nach wie vor wird die Wichtigkeit guter Akustik von vielen Bauherrschaften und Architekturbüros ignoriert oder als lästige, kostspielige Pflichtübung angesehen. Wen wundert es, dass sich unter diesen Umständen Reklamationen wegen schlechter akustischer Arbeits- oder Freizeitumgebung und auch wegen gesundheitlicher Probleme mehren? Im Zeitalter der Informations- und Kommunikationsgesellschaft darf es nicht mehr sein, dass Schallschutz und akustische Behaglichkeit, zu Beanstandungen führt.
Ungenügende Akustik gilt als Baumangel.
Mieter haben das Anrecht, dass Vermieter intervenieren und den gebrauchstauglichen Zustand herzustellen.
Im Gegensatz zur visuellen Wahrnehmung, ist die auditive Wahrnehmung viel umfassender, als die visuelle Wahrnehmung.
Das Ohr empfindet das Auge erkennt.
Marcus Vitruvius Pollio, kurz Vitruv genannt, war römischer Architekt und Schriftsteller. Er war der Ansicht, dass sich die Baukunst am menschlichen Körper orientieren sollte:
„Kein Gebäude kann ohne Ebenmass und gutes Verhältnis gut eingerichtet sein, wenn es sich nicht genau wie der Körper eines wohl gebildeten Menschen zu seinen Gliedern verhält“.
In seinem Buch, „De Architectura“, das Vitruv ca. 30 v.Chr. verfasste, stellt er strenge Anforderungen an den jungen Architekten, respektive Ingenieur.
Vitruv fordert als die wichtigsten Kriterien für Architekten folgende Eigenschaften:
- Literarisch gebildet und fähig sein, sich selbst klar auszudrücken
- Zuverlässige Mathematiker sein
- Die Grundlagen von Akustik und Musiktheorie verstehen
- Medizinische Kenntnisse besitzen, besonders hinsichtlich der öffentlichen Gesundheit
- Juristische Kenntnisse besitzen bezüglich Wasserrecht und Beleuchtung und in der Lage sein, einen Vertrag aufzusetzen, der klar und unzweideutig ist
- Kenntnisse in Bauplanung, Bauentwurf, Materialkunde und so weiter haben.




